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Leseprobe

 

 

Aus: "Américas" Vol. 24, Nr. 4/2002, p. 45-64

 


Kolonialisierung und Widerstand im brasilianischen Süden
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Autor: Christian Cwik

Abstract

The history of European immigration to Brazil started with Portuguese colonialization. Since then, the Brazilian history of immigration is bounded to the history of economics. Especially the history of the Brazilian south was shaped by Portuguese squatters (bandeirantes) as well as the constant disputes and even armed conflicts over the delimination of the boundary between the Spanish empire and the Portuguese global power throughout centuries. The demographic and cultural scapes of this area have always undergone dramatic changes due to the emergence of the
cisplatinic Province or the treaty of Madrid 1750 on a definite delimination of the border. On the other hand, slavery as an institution couldnt be restricted by any political border. Urban development in the Brazilian south and southeast was propelled by black slaves as well as by free colored people during the 19th century. So this meltingpot became structurized by intercultural social systems. Even the halfcastes started their own ethnic projects. Communities such as Quilombolas developed a special type of Brazilian patterns of resistance aside the abolition movements. The European immigrants of the 19th century made the situation even more complex.
Nowadays the Afrobrazilian element coins Brazilian popular culture in a strong way. Slavery and Restitution are questions of national responsibility. There is a growing conscience of being oversea Africans among the Brazilian Blacks and people affiliated to the Black population.

Die ersten Immigranten

Um ein Projekt wie das unsere - Afrikanische und Europäische Einwanderung nach Brasilien - wissenschaftlich einzugrenzen, bedarf es einerseits der schwierigen Selektion brauchbarer Sekundärliteratur und andererseits der komplexen Sicherung regionaler Quellen. Letztere sind zumeist Ergebnis monatelanger Recherchen vor Ort und beruhen auf der Durchführung narrativer Interviews (Oral History), sowie der Konsultation lokaler Archive, Museen, Kirchen und ausgewählter Privatsammlungen sogenannter Einwandererfamilien. Meine Methoden unterscheiden sich hierbei kaum von denen meiner beiden brasilianischen Kollegen.

Zuwanderung als solche bestimmt die Kolonialisierung Brasiliens. Studien zu einer Art von Geschichte der Bevölkerung Brasiliens beginnen demnach mit der ersten Quelle der Kontaktaufnahme mit dem späteren Brasilien. Über die erste Landung der Portugiesen findet sich glücklicherweise eine tadellose Quelle des Expeditionsmitglieds Pero Vaz de Caminha, der diesen first touch mit dem neuentdeckten Land Terra da Santa Cruz in seiner Chronik erwähnt. Portugal hatte sich zu jener Zeit längst an die Spitze der europäischen Mächte empor gearbeitet und sicherte sich durch die Verträge von Tordesillas (1494) die gesamte Westküste Afrikas - mit Ausnahme der Kanarischen Inseln - und so den damit verbundenen, noch imaginären Seeweg nach Indien. Schon die Erkundungsfahrten von Bartolomeu Dias (1487/88) zeigten die neuen Möglichkeiten auf, da seine Expedition bereits in den Indischen Ozean vorgestoßen war, und das so gewinnbringende Monopol auf den Gewürzehandel dadurch nur mehr eine Frage der Zeit war. Mit Vasco da Gamas erfolgreicher erster Indienfahrt 1497-99 eröffneten sich für Portugal neue ökonomische Dimensionen, und so mutierte seine Hauptstadt Lissabon zu einem wichtigen Handelszentrum. Italienische, französische, englische, flämische und deutsche Kaufleute sowie bedeutende Intellektuelle strömten an die europäische Westküste und machten aus Portugal ein wichtiges kulturelles Zentrum. Betrachten wir nun die Besatzungen dieser ersten Schiffe - man bedenke Cabrals Expedition bestand aus insgesamt 13 Schiffen - so ergibt sich ein ziemlich multikulturelles Bild der Mannschaft.

Der erste Mann, den Admiral Cabral in der Bucht von Cabriala (etwas nördlich der heutigen Stadt Porto Seguro gelegen) an Land schickte, war jedenfalls ein Portugiese mit Namen Nicolau Coelho. Dem Gesandten näherten sich Tupis, und der erste Kontakt verlief nach den Schilderungen von Pero Vaz de Caminha sehr friedlich. Ganze 9 Tage ankerten Cabrals Schiffe vor der Küste und neben einem katholischen Gottesdienst beglückte man die Indigenen mit wertlosen Geschenken.

Nachdem man festgestellt hatte (Vermessung), dass sich das neue Land innerhalb der Grenzen von Tordesillas befand, nahm Cabral das Terra da Santa Cruz offiziell in Besitz des portugiesischen Königs Emanuel. Jetzt trat der Chronist in Aktion, musste er doch die Umstände der Aneignung protokollieren, wobei sehr eindrucksvoll der Kulturbruch nachvollziehbar ist: Die Wahrnehmung des Fremden, deren gegensätzliche Reaktionen auf Sitten und Gebräuche der Europäer, die völlig naiv von Pero Vaz interpretiert werden, zeigt uns die eindimensionale Kontinentalität der Eroberer. Sie beziehen ihre Vorstellungen aus Mythen, Fabeln und manchmal aus Bibelstellen und begannen ihre Wahrnehmungen unbewusst mit europäischen Werten aufzufüllen. Cabral folgte seinem Zeitgenossen C. Kolumbus, ordnete typische Gegenständen, wie etwa Papageien, Pfeile, Bögen, Federn, Rotes Farbholz usw. einen Warenwert zu und sandte sofort ein Schiff samt wertvoller Ladung heim nach Lissabon . Um den neuen Boden zu markieren ließ Cabral zwei zum Tode verurteilte Matrosen zurück und hoffte insgeheim, dass sie von den Tupis aufgenommen und Nachkommen zeugen würden, damit man später die Beziehungen wieder aufnehmen könnte. Über Herkunft und Verbleib der beiden ersten Europäer ist soweit leider nichts bekannt.

Bereits im Jahr 1501 segelte unter dem Befehl von Goncalo Coelho eine zweite Flotte an die Demarkationslinie von Tordesillas, v.a. auch um die neuen Grenzen abzuloten. Dabei bewegte sich Coelho insgesamt 2000 Meilen an der Küste von Terra da Santa Cruz, wobei der sich mit an Bord befindliche italienische Kartograph Amerigo Vespucci in seinen Briefen erstmals von der Entdeckung eines Neuen Kontinents spricht. Die Mannschaft Coelhos ist polyeuropäisch geprägt. Die neuen Erkundungen nähren in Portugal für viele Modernisierungsverlierer und Opfer religiöser Progrome den Willen zur Auswanderung in die sogenannten freien Kolonien, für einige erfüllte sich auch der Traum vom wirtschaftlichen Erfolg aufgrund der neuen Handelsräume in Asien, Cochin (1502), Malakka (1511) und im Pazifik (Timor (1515)), Kanton (1516), Macao (1554).

Brasilholz als Immigrationsfaktor

Nachdem die Portugiesen den europäischen Gewürzhandel mit Indien auf dem Seeweg unter ihre Kontrolle gebracht hatten und (1505) mit Vizekönig Francisco de Almeida den Estado da Índia errichten ließen, blieb Brasilien vorerst nur ein relativ unbedeutender Punkt im riesigen
Weltreich der portugiesischen Krone. So folgte die por tugiesische Krone den Konzepten aus dem 15 Jahrhundert und vergab Lizenzen zur Nutzung des Brasilholzes.

Schon 1502 ordnete Lissabon die zukünftige Brasilholznutzung, indem König Emanuel einer Lissaboner Händlerkompanie das Monopol für die Brasilholzgewinn und -vermarktung überschrieb. In ihrem Auftrag segelte Fernão do Noronha, der auch auf die nach ihm benannte Inselgruppe im Atlantik stieß, nach Brasilien. Nun war der Bann gebrochen: insgesamt sechs Schiffe pro Jahren sollten den Holzhandel profitabel machen, die Kontaktaufnahme fand nunmehr an mehreren Punkten an der brasilianischen Küste statt, was die Begegnung mit unterschiedlichen autochthonen Gruppen zum Ergebnis hatte. Schon 1503 begannen erstmals französische Schiffe die absoluten Hoheitsrechte der Portugiesen und Spanier zu unterlaufen, und sogenannte Korsarenschiffe erreichten die Küsten der Neuen Welt.

Die an den Küsten lebenden Tupis traten bald friedlich den einwandernden Portugiesen und einigen anderen Ethnien entgegen und förderten den Warenaustausch. Diese Kontaktaufnahme hatte aber auch zur Folge, dass der erste Mikrobenschock viele Tupis dahinraffte. In der ersten Phase der Kolonialisierung war weibliches Abenteurerinnentum äußerst selten, und die fast ausschließlich männlichen Kolonisatoren lebten mit Tupifrauen in mono- und polygamen Beziehungen in den ersten Siedlungen an der Küste. Aus dieser sexuellen Begegnung entsprang schon bald eine zahlenmäßig rasch ansteigende Mischbevölkerung, die Mamelucos, die oft nur des Tupi mächtig waren. So entstand schon frühzeitig eine Mamelucokultur die zum ersten Ausdruck der Brasilidade wurde.

Portugal, das den Brasilholzhandel nicht aus der Hand geben wollte, musste zumindest marktfreundliche Bedingungen schaffen, und da entschloss sich die Lissaboner Handelskompanie eine Verarbeitungs- und Lagerstätte in Cabo Frio zu errichten. Diese erste brasilianische Dauerniederlassung führte zu weiterem Zuzug europäischer Einwanderer zwischen 1505-1513. Die lange brasilianische Küste machte es für spanische und französische Schiffe leicht, sich in das Geschäft mit dem Holz illegaler Weise
einzuschalten.

Über kulturelle Phänomene


Mit der Überwindung des Atlantiks und dem damit verbundenen kulturellen und ökonomischen Austausch, begannen Erzählungen sowie Chroniken über fremde Welten
à la de las Casas, Oviedo, Acosta, de la Vega, Lery, Staden u.v.a. in die europäischen Denkhorizonte einzudringen und das Weltbild der Mythen und Legenden grundlegend zu verändern. Diesen Prozess nennen wir im Allgemeinen den Beginn der Neuzeit und als solcher wurde er 1992 und 2000 auch von den ehemaligen Eroberern befeiert. Gerade hierin sieht man die gesamten Ausmaße europäischer Denkmuster, nämlich das Selbstverständnis der Eroberung gegenüber. In ihr manifestierte sich schließlich die gesamte Wucht der christlichen Mission als Nachfolgerin des katholischen Gottesstaates. Realität und Utopie wurden hierbei vermengt, und führten von Beginn der europäischen Kolonialisierung an zu jener abstoßenden Form der Ausbeutung von Mensch und Ressourcen.

Es sind jedoch die positiven und negativen Wertungen der Anderen, die Formen des Annehmens und Ablehnens der genannten Erfahrungen, die uns heute diese ersten Begegnungen erst begreifbar machen. Ursprünglich wurde so das Andersartige als prinzipiell unvernünftiges Wesen wahrgenommen. Dieses zu bewertende Andere wird hierbei zum Imperativ des Handelns der verschiedenen kolonialen Akteure. Die christlich-moralischen Bedeutungen beherrschten das Bild der Kolonialisierung. Die kulturellen Manifestationen widerspiegeln sich in den historischen Werken des 17. und 18. Jahrhunderts und werden durch die Klassifizierungsprinzipien der ersten Moderne noch untermauert.

Die Trennung wird hierbei zum kulturellen Prinzip und das Zur-Schaustellen virtueller Differenz von außen zum tragenden Element der Feierlichkeiten von 1992 und 2000. Die Anwendung von Nackter Gewalt
diente und dient der Überwindung dieser Barrieren im Kopf und setzt zumeist Freiheit mit unendlicher Gier gleich.


Getragen wurde schließlich die erfolgreiche
Kolonialisierung Amerikas durch den technischen Fortschritt innerhalb der Kriegsführung und die Symbiose von Macht und Gewalt. In ihr widerspiegeln sich die historischen Prozesse der Kolonialisierung, gerade in einer neuralgischen Zone, wie dem südlichen Teil Brasiliens. Die Einverleibung von Territorien wird vorangestellt, die siedelnde Bevölkerung zum Opfer höherer Interessen gemacht. Dieses zutiefst menschliche Potential sei hier nur erwähnt, um die Greuel der Kolonialisierung niemals zu relativieren, sondern weiterhin einer strengen Dekonstruktion zu unterziehen. Die eigenen Definitionen und Schlüsse hierbei an der Wurzel packen und beobachten, ob sie in den vorhergehenden Beschreibungen wirkungsvoll angewandt worden sind, diese Methode muss, gerade was die relativierende Historiographie zum Kolonialismus und der Sklaverei Brasiliens betrifft, stringent durchgeführt werden. Dabei bemühen wir uns nicht nur um die Rekonstruktion der verschwundenen Gesellschaften, sondern auch um die augenblickliche Bestandsaufnahme, wie sie als Aufeinanderfolge gleichwertiger Perspektiven wahrnehmbar ist.

[...]

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